Meereswelten droht das Aus

30.12.2017

Quelle: DLZ vom 30.12.17

Gerhard Gebauer ist von der Politik tief enttäuscht
Von Henning Voß

Büsum - Gerhard Gebauer ist die tiefe Enttäuschung anzumerken. Seit 2004 betreibt er mit seiner Frau Katrin Stellbrinck-Gebauer die Büsumer Meereswelten. Jetzt befürchtet er das Ende seiner Aquarien.

Diese Sorge ist nicht unbegründet. Der Kurbetriebsausschuss (KBA) hatte während seiner Sitzung am 20. November nichtöffentlich die Überplanung der Meeresweltenfläche im Zuge der anstehenden Modernisierung des Piratenmeeres beschlossen. Und Bürgermeister Hans-Jürgen Lütje (FWB) beauftragt, mit Gebauer zu sprechen und sich nach einem neuen Standort der Meereswelten umzusehen.

Dieses Gespräch hat es mittlerweile gegeben. Als Lütje ihm eröffnete, dass die Meereswelten höchstwahrscheinlich umziehen müssen, sei er aus allen Wolken gefallen, so Gebauer. "Die Fläche wird für einen Fahrstuhl gebraucht. Wir können mit den Aquarien aber nicht so einfach umziehen. Wir brauchen eine Versorgung mit Nordseewasser, hinzu kommen die technischen und baulichen Anforderungen." Er selbst habe sich schon vor geraumer Zeit in Büsum nach einem neuen Standort umgesehen. "Aber es gibt hier keine geeignete Alternative", sagt Gebauer. "Wenn wir zum 31. Dezember 2018 hier hinaus müssen, müsste neu gebaut werden. Das ist innerhalb von zehn Monaten nicht realisierbar. Das Zeitfenster ist einfach zu klein."

Für Gerhard Gebauer bedeutet das Aus des jetzigen Standortes eine totale Katastrophe. "Das wäre eine existenzielle Bedrohung", sagt der Vater von vier Kindern. Seine Familie stünde vor dem Ruin. "Das haben wir nicht verdient, zumal wir kein Geld von der öffentlichen Hand bekommen." Gebauer betreibt seine Einrichtung rein privatwirtschaftlich. Und er bewirtschaftet eine Einrichtung mit einer langen Tradition. Die Meereswelten wurden 1914 von Sebastian Müllegger gegründet, seit 1967 sind sie an ihrem jetzigen Standort. Gerhard Gebauer hat die seit ihrer Gründung privat betriebenen Meereswelten vor 13 Jahren übernommen. Nach seinen Angaben werden die Becken von bis zu 40 000 Besuchern im Jahr besichtigt, die Hälfte davon seien Stammgäste. Mittlerweile beherbergen die Aquarien etwa 180 Arten, darunter eine nordamerikanische Hieroglyphen-Schmuckschildkröte, einen südamerikanischer grüner Leguan, australische Minikrokodile, tropische Tiere, Mittelmeer- und Süßwasserfische sowie Nordseetiere. Gebauer, der gelernter Zoofachhändler ist, unterhält insgesamt 39 Süßwasser- und Meerwasserbecken mit 60 000 Litern Wasser sowie Terrarien. Gebauer arbeitet mit den Meeresmuseen in Kiel, Hannover und Stralsund zusammen.

In seiner Not hat Gebauer die Fraktionsvorsitzenden angeschrieben und um Unterstützung gebeten. "Um die Restschuld des Darlehens ablösen zu können, müsste ich unser Wohnhaus verkaufen sowie meine Altersversorgung aufwenden", schreibt er an die Kommunalpolitiker. Bei CDU-Chef Timm Hollmann rennt Gebauer offene Türen ein. "Büsum ohne Aquarium geht gar nicht", sagt er. Außerdem könne die Gemeinde nicht auf die jährliche Pacht in Höhe von 24 000 Euro verzichten. FWB-Fraktionsvorsitzender Dietmar Böcker sagt, er wolle Gebauer "nicht im Regen stehen lassen". Die Meereswelten seien wichtig, sogar ausbaufähig. Aber der Zugang zum Piraten-Meer müsse barrierefrei sein. "Es ist ein Spagat", sagt Böcker. Hugo Köhler von der SPD/FDP/IBF-Fraktion will die Meereswelten in Büsum ebenfalls nicht missen. "Vielleicht wäre sie an einem neuen Standort ja noch attraktiver. Jetzt ist die Einrichtung ja ein wenig in die Ecke gedrückt." Die Fläche der Meereswelten wird laut Köhler, auch für den sogenannten Bademantel-Gang benötigt, der das Lighthouse-Hotel mit dem Piratenmeer verbindet.

Hans-Jürgen Lütje teilt die Sorgen Gebauers nicht. "Es muss ja kein Neubau sein", sagt der Verwaltungschef. "Wir wollen helfen und werden eine Möglichkeit finden." Lütje kann sich vorstellen, die Meereswelten in der Nähe der Phänomania oder in einer Halle im Hafen unterzubringen. Ein Ende der Meereswelten will Lütje nicht, er hält das Aquarium für eine wichtige Attraktion. Außerdem solle der Architekt die Fläche überplanen, das bedeute nicht zwangsläufig, dass die Meereswelten ausziehen müssten.

Timm Hollmann hatte an der KBA-Sitzung nicht teilgenommen, aber er hat sich die Tagesordnung genau angesehen und mit seinen Parteifreunden im KBA gesprochen. "Die haben es alle so verstanden, dass die Meereswelten umziehen sollen", sagt er. Hollmann zweifelt allerdings an der Wirksamkeit des nichtöffentlich gefassten Beschlusses. "Laut unserer Geschäftsordnung muss aus der Tagesordnung die Bedeutung eines Punktes eindeutig hervorgehen, damit sich die Fraktionen vorbereiten können. Das ist hier nicht der Fall", sagt er. In der Tat taucht auf der KBA-Tagesordnung das Wort "Meereswelten" nicht auf. Hollmanns rechtliche Bedenken wird Gerhard Gebauer gern hören. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt er. "Wir wollen nicht aus Büsum weg."